Erste Radiostationen in der Schweiz haben damit begonnen, ihre UKW-Verbreitung an einzelnen Standorten aufzugeben. Zum Jahresende – also in genau zwei Wochen – wird die öffentlich-rechtliche SRG sämtliche UKW-Sender abschalten. Einige Privatradios geben ebenfalls FM-Sender auf. Doch es gibt auch Programmanbieter, die weiterhin am analogen, terrestrischen Rundfunk festhalten.
Radio 1 aus Zürich hat nicht nur auf seiner Webseite die Information veröffentlicht, dass das Programm „weiterhin auf UKW“ zu empfangen ist. Im laufenden Programm sind auch Trailer zu hören, die darauf hinweisen, dass der Regionalsender nicht nur über DAB+ und im Internet, sondern weiterhin auch auf UKW verfügbar ist. Radio 1 wird von der Radio 1 AG aus Zürich betrieben, deren CEO der Radiopionier Roger Schawinski ist.
Schawinski betrieb einst Radio 24 als ersten Privatsender in der Schweiz. Vom Pizzo Groppera in Italien sendete die Station nach Zürich – mit dem stärksten UKW-Sender, der je gebaut wurde. Eine effektive Strahlungsleistung von 8 Megawatt sorgte dafür, dass das Signal über die Alpen kam und das Zielgebiet erreichte. Unter dem Strich erstritt Schawinski so, dass private Lokalradios in der Schweiz auf Sendung gehen konnten.
Darum hat Schawinski recht
Viele Radiofreaks haben zwar Hochachtung vor Schawinskis Werk vor mehr als 40 Jahren. Heute halten sie ihn für starrsinnig, weil er an der – nach Meinung der Freaks – veralteten UKW-Technik festhält. Ich sehe das etwas anders. Zwar bin auch ich großer Fan des terrestrischen Digitalradios. Schon Mitte der 90er Jahre nahm ich an den DAB-Pilotprojekten in Bayern (eher inoffiziell) und Hessen (ganz regulär) teil.
Ich höre heute überwiegend Webradio. Wenn es dann doch mal terrestrischer Rundfunk sein soll, schalte ich überwiegend DAB+ ein – nicht aus Begeisterung für diese Betriebsart, sondern, weil ich dort die Programme finde, die ich empfangen möchte. Wenn ich aber zum Beispiel SWR1 Rheinland-Pfalz im Autoradio hören will, greife ich gerne auf UKW zurück. Dort ist der Empfang auch hier im Spessart problemlos und in Stereo möglich. Auf DAB+ ist das Signal stationär in Ordnung, im Autoradio kommt es hingegen zu vielen Aussetzern. Möchte ich Rock FM aus Baden-Württemberg empfangen, habe ich digital-terrestrisch keine Chance. Auf UKW ist das Programm aber im Autoradio passabel zu hören.
Ich schätze einerseits die Programmvielfalt auf DAB+. Oft haben wir es aber mit Musiksendern zu tun, die wenig Inhalt bieten, während auf UKW aus den benachbarten Bundesländern auch öffentlich-rechtliche Qualitätsprogramme hereinkommen. Der Verzicht auf den Overspill über UKW zugunsten von mehr Festplatten-Dudlern auf DAB+ wäre demnach ein schlechter Tausch.
Schweiz: Bester DAB+ Netzausbau
Auf die Schweiz ist diese Situation nicht übertragbar. Dort sind die DAB+ Sendernetze deutlich besser als in Deutschland ausgebaut. Lokalradios sind weit über ihr UKW-Sendegebiet hinaus auf DAB+ verfügbar. Allerdings besteht in der Eidgenossenschaft das Problem, dass rund 40 Prozent aller Autos noch ohne DAB+ Radio durch die Gegend fahren. Wer auf UKW abschaltet, erreicht diese Hörer nicht mehr.
Natürlich gibt es DAB+ Adapter, mit denen sich dieses Manko beheben lässt. Ich habe selbst jahrelang einen solchen Adapter genutzt. Doch diese Zusatzgeräte sind nicht jedermanns Sache. Der Adapter muss gut bedienbar sein, die Kabel zu Antenne und Autoradio müssen bestmöglich „versteckt“ werden. Die mitgelieferten Scheibenantennen liefern keinen guten Empfang, sodass auch noch eine Dachantenne her muss.
Freaks – wie seinerzeit ich – betreiben diesen Aufwand gern. Aber ganz normale Radiohörer? Die schalten eher ab oder um, wenn das angestammte Programm im vorhandenen Radio nicht mehr zu hören ist. Die Zeiten, in denen das Medium Radio einen so großen Stellenwert hatte, dass jeder nach einer UKW-Abschaltung in den Elektronikmarkt seines Vertrauens fahren würde, um ein DAB+ Radio zu kaufen, sind nunmal vorbei.
Lasst dem Schawinski sein UKW
Der UKW-Bereich ist auch heute noch sehr gut für die Übertragung von Radioprogrammen geeignet. Passende Empfangsgeräte gibt es in jedem Haushalt und in fast jedem Auto. Warum sollte man diese bewährte Technik aufgeben? Lasst doch Roger Schawinski und andere weiter auf FM senden. Wer das – wie viele andere Veranstalter – nicht möchte, wird ja nicht dazu gezwungen, sondern kann natürlich auch ausschließlich über DAB+ und/oder im Internet senden.
Nach aktuellem Stand können die Privatradios in der Schweiz noch bis Ende 2026 auf UKW senden – wenn sie dies wünschen. Bis dahin werden wohl weitere Autos mit DAB+ ausgestattet sein. Die UKW-Abschaltung tut dann weniger „weh“ als heute. Doch auch in zwei Jahren müsste die Situation aus der dann aktuellen Sicht bewertet werden: Will man wirklich einen funktionierenden Übertragungsstandard aufgeben und die Veranstalter zur Abschaltung zwingen?
Dass auch DAB+ nicht das optimale Medium ist, das – quasi von selbst – für Erfolg steht, zeigen andere Beispiele aus der Schweiz. Programme wie Radio Top Two und Radio TopCC schalten zum Jahresende ab, weil sie offenbar wirtschaftlich nicht tragfähig sind. Das ist vor allem im Fall von Radio Top Two sehr schade. Das Programm war viele Jahre lang auf Sendung. Es bot einen einzigartigen Musikmix. Bleibt abzuwarten, wie sich die Radiolandschaft in der Schweiz weiter entwickelt, wenn die SRG und sukzessive auch viele Privatsender ab Jahresende auf ihre UKW-Frequenzen verzichten.