Gestern hat der Hessische Rundfunk seine mit Spannung erwartete Radiostrategie für die Zukunft vorgestellt. Ernüchtert stellt die hessische Landesrundfunkanstalt fest, dass das klassische Radio jährlich etwa ein Prozent an Nutzung verliert. Bei jüngeren Zielgruppen liege der Wert sogar bei 2,5 Prozent. Darauf will der hr nun mit einer zweistufigen Radiostrategie reagieren, bei der die linearen Programmangebote massiv zusammengestrichen werden.
Noch mehr als bisher werde man sich künftig auf die reichweitenstarke Sendezeit am Morgen konzentrieren. Für das anschließende Tagesbegleitprogramm setzt der Hessische Rundfunk auf mehr Synergien, etwa durch Mehrfachverwertung vorhandener Inhalte. Wer den ganzen Tag über Radio hört, wird künftig demnach mit Wiederholungen von Beiträgen leben müssen. Das gab es bisher schon, sodass zu befürchten ist, dass diese Art der Programmgestaltung weiter ausgebaut wird.
Für das Abend- und Wochenend-Programm ist ein Ausbau der bereits begonnenen ARD-weiten Sendekooperationen geplant. Die hr-Radio-Apps sollen in die ARD-Audiothek integriert werden. Man kann nur davor warnen, die eigenen Apps komplett aufzugeben. Diese schaffen auch Hörerbindung, wenn sie „aus der Gegend“ kommen statt irgendwo zentral für Deutschland zusammengestellt zu werden.
Das passiert mit den Radioprogrammen des hr
Im ersten Schritt plant der Hessische Rundfunk nicht, bestehende Hörfunkprogramme einzustellen. Für You FM hofft man auf Kooperationen mit anderen jungen ARD-Radiowellen. Ansonsten soll das Programm eigenständig, aber mit deutlich reduziertem finanziellen Aufwand fortgeführt werden. hr3 soll weitgehend unverändert bleiben, sich aber künftig jeweils ab 21 Uhr der ARD-Nachtversorgung anschließen.
hr1 und hr4 sollen sich vor allem auf die Prime Time am Morgen konzentrieren. Danach sind jeweils längere Moderationsstrecken und weniger originärer Content geplant. Für die Abendstunden sind verstärkte Kooperationen vorgesehen. So könnte es etwa sein, dass hr1 künftig nicht nur sonntags das Abendprogramm von SWR 1 Baden-Württemberg übernimmt – falls sich der SWR weiterhin eigene Abendsendungen leistet.
Die Kultur soll von hr2 zu hr-iNFO wandern. hr2 wird den Fokus auf die Frühsendung legen, danach aber zu einem klassischen Musikprogramm ohne originären Content übergehen. Wortformate werden zweitverwertet. hr-iNFO soll erhalten bleiben, bei überregionalen Themen aber verstärkt mit anderen ARD-Anstalten zusammenarbeiten.
Nach 2028 nur noch drei Vollprogramme?
Noch größere Einschnitte sind für die Zeit nach 2028 angedacht. „Nach heutigem Wissen über die Mediennutzung der verschiedenen Altersgruppen und über die digitale Entwicklung sieht das Szenario noch drei Vollprogramme mit eigenproduzierten Inhalten vor; weitere Wellen können im ARD-Verbund oder durch interne Zusammenarbeit durchaus weiter bestehen“, heißt es in einer Presseerklärung des hr.
„Natürlich können wir nicht so weit in die Zukunft schauen. Es ist uns dennoch wichtig, mit dieser Annahme unsere stetigen und umfassenden Veränderungen im hr voranzutreiben. Denn wir müssen weitere langfristige Entscheidungen, zum Beispiel zu Produktions- und Redaktionsflächen sowie der personellen Ausstattung, treffen. Dabei hilft eine Orientierung an drei eigenproduzierten Radiowellen. Welche das sein könnten, wird sich dann in einigen Jahren zeigen. Darüber gibt es heute noch keine Entscheidung“, erläutert Programmdirektorin Gabriele Holzner.
Ab September soll die erste Stufe der Reform angegangen werden. Wann die Neuerungen greifen, ist derzeit aber noch nicht absehbar. Der Hessische Rundfunk reagiert nach eigener Darstellung auf die veränderte Nutzungssituation im Medienbereich. Mit der neuen Radiostrategie werde auch das Ziel verfolgt, Ressourcen für digitale Angebote zu generieren.