Wer erinnert sich noch an die Sendung „Bertramstraße 8 – Neues aus dem Funkhaus“, die in den 80er Jahren sonntags abends nach den 18-Uhr-Nachrichten im Hessischen Rundfunk zu hören war? In einer dieser Sendungen wurde Anfang der 80er Jahre über die Pläne des hr gesprochen, im Raum Schlüchtern einen Grundnetzsender aufzubauen, der die Versorgungslücken zwischen den Sendern Großer Feldberg/Taunus und Rimberg schließt.
Ich rechnete mit einer Art Pfaffenberg-Pendant, das mit vielleicht 25 kW ERP die Empfangssituation für die hr-Radioprogramme im Spessart, in der Rhön und im Vogelsberg verbessert. Dieser Sender wurde nie realisiert. Stattdessen plante der hr, auf der Wasserkuppe in der Rhön eine neue Sendeanlage. Diese wurde nie realisiert. Dafür sendet der hr heute die Programme hr1 (104,8 MHz), hr3 (106,2 MHz) und hr4 (107,3 MHz) vom benachbarten Heidelstein mit jeweils 50 kW ERP.
Für die Hörer in der Rhön ist dieser Standort freilich noch besser geeignet. Im Spessart verbessert der Sender Heidelstein die Empfangssituation allerdings kaum. In Gemeinden wie Biebergemünd, Flörsbachtal, Jossgrund und Sinntal ist der Empfang der hr-Radioprogramme auf UKW noch heute nicht rauschfrei in Stereo möglich, wenn nicht gerade Antennenaufwand getrieben wird.
Vom Fernsehumsetzer zum Hörfunksender
Zumindest für die Stadt Schlüchtern wollte der Hessische Rundfunk die Empfangssituation verbessern. Eine geeignete Sendeanlage nur für die Stadtversorgung musste nicht einmal neu gebaut werden. Schließlich verfügte der hr über einen Fernsehumsetzer am Berghang oberhalb der Alten Hohenzeller Straße am südlichen Ende von Schlüchtern. Dieser hatte früher das Erste Programm der ARD mit 3 Watt ERP im Kanal 6 übertragen.
Dieser Senderstandort wird heute nicht mehr für das Fernsehen, sondern für den Hörfunk genutzt. Mit You FM (88,2 MHz) und hr-iNFO (91,5 MHz) kommt der Standort für zwei Programme zum Einsatz, die mangels Sendeanlagen auf dem Großen Feldberg und auf dem Heidelstein in Schlüchtern kaum zu empfangen waren. Dazu kommt hr3 auf 88,9 MHz. Hier wäre vielleicht hr2 sinnvoller gewesen, das zumindest auf dem Heidelstein keine Frequenz hat. Die Strahlungsleistung beträgt jeweils 320 Watt.
Demnächst will der Hessische Rundfunk vom Standort Schlüchtern auch seinen DAB+-Multiplex im Kanal 7B verbreiten. Hier sind stolze 4 kW Strahlungsleistung vorgesehen. Für Schlüchtern und das benachbarte Steinau an der Straße ist es gut, dass der hr mit dem neuen Sender für besseren Empfang – insbesondere innerhalb von Gebäuden – sorgt. Die Städte liegen im Tal, wo die Pegel des bestehenden Sendernetzes schon mal in die Knie gehen können. Der in nur 260 Meter Höhe befindliche Standort ist aber völlig ungeeignet, um Versorgungslücken in Sinntal oder Jossgrund zu schließen.
Kurzbesuch auf der Durchreise
Wie berichtet habe ich am vergangenen Mittwoch auf dem Rückweg vom Knüllköpfchen in Schlüchtern einen Zwischenstopp eingelegt. Dabei habe ich mir auch den Sender des Hessischen Rundfunks angesehen. Die Antennen für die geplante DAB+-Abstrahlung waren gut zu erkennen. Demnach könnte die Aufschaltung des Senders in absehbarer Zeit erfolgen.
Weiter unten am Mast sind auch die UKW-Antennen erkennbar – zwei Yagis, mit denen die auf 88,2 und 91,5 MHz mögliche Rundstrahlung freilich nicht möglich ist. In der Praxis dürfte eine der beiden Antennen die Stadt Schlüchtern versorgen, während die zweite Yagi den UKW-Empfang in Steinau an der Straße verbessert. Nach Süden würden sich weitere Antennen auch nicht lohnen: Man würde gegen den Berg senden.
Die DAB+-Antennen (mit großem Öffnungswinkel) zeigen auf die Mitte zwischen den beiden UKW-Yagis. Der neue Digitalradio-Sender dürfte somit ebenfalls vor allem den Empfang in Schlüchtern und Steinau an der Straße sowie auf der Autobahn A66 verbessern (wo die hr-Programme aber schon jetzt problemlos zu empfangen sind. Nach Osten dürfte der Distelrasen die Empfangsgrenze darstellen. Nach Süden dürfte spielt der Sender aufgrund seines Standorts – direkt an einem Berghang – keine Rolle spielen.