Wie bereits berichtet, hat der niedersächsische Lokalsender Radio 90vier einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Nachdem zuletzt nur noch ein unmoderiertes Musikprogramm ausgestrahlt wurde, das lediglich durch stündliche Nachrichten unterbrochen wurde, ist der Sendebetrieb jetzt eingestellt worden.
„Der Stecker ist gezogen„, so Radio 90vier auf seiner Facebook-Seite. Auf ihrer Homepage haben die Betreiber des Lokalradios zudem eine umfangreiche Stellungnahme zum Aus für das Projekt veröffentlicht. Wörtlich heißt es dort:
„Trotz aller Bemühungen – Radio 90vier UG (haftungsbeschränkt) hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt.
‚Wir haben alles versucht und monatelang für den Erhalt unseres Heimatradios gekämpft, aber leider geht es nicht mehr‘ – so fasst Geschäftsführer Jürgen R. Grobbin die Entscheidung der Gesellschafter des Senders zusammen, beim zuständigen Amtsgericht über einen Fachanwalt einen Insolvenzantrag zu stellen.
Radio 90vier war im Januar 2019 gestartet und hatte sich bis Anfang 2020 bestens entwickelt: das ‚Radioprogramm aus der Region‘ konnte sein Sendegebiet vergrößern, die Hörerzahlen entwickelten sich positiv, und immer mehr Werbekunden aus der Gegend nutzten Radio 90vier für ihre lokalen Werbebotschaften. Da sah die Welt – wie für alle privaten Medienunternehmen – noch rosig aus.
Doch dann kam das Corona-Virus. Und mit Beginn des ersten Lockdowns wendete sich das Blatt schlagartig. Die Welt stand still, für lange Zeit. Im Voraus gebuchte Werbungen wurden storniert, da die meisten Betriebe gar nicht mehr öffnen durften. Für Radio 90vier bedeutete dies fast keine Einnahmen mehr, denn private Sender bekommen keine Rundfunkgebühren (GEZ), sondern finanzieren sich ausschließlich durch Werbeeinnahmen.
Die bis 2020 erarbeiteten Rücklagen wurden von den zwei Corona-Jahren aufgefressen. Und als alle hofften, dass sich die Situation danach langsam wieder normalisieren würde, kam der nächste Tiefschlag: die Ukrainekrise. Verunsicherung allerorten, Kauf- und Werbezurückhaltung plus Energiekrise samt extrem gestiegener Kosten. Am Ende zu viel für die schmalen Schultern des noch jungen Medienunternehmens, das engagierte Radiomacher aus eigenen Mitteln auf die Beine gestellt hatten – ohne Zeitungsverlag oder andere Investoren im Rücken.
Gesellschafter, Mitarbeitende und der Geschäftsführer selbst haben alles versucht, ‚ihren Sender‘ zu retten: Kosten wurden so weit wie möglich runtergefahren, man verzichtete teils auf Löhne und Gehälter, führte Gespräche mit möglichen Investoren und dachte sogar an eine mögliche Fusion mit einem anderen Radiosender, was in Niedersachsen aber aufgrund des Mediengesetzes nicht möglich ist. Doch alle Sender stehen aktuell vor denselben Herausforderungen: massive Preissteigerungen bei den Verbreitungskosten (zum Beispiel Strom für die Antennenanlagen), weniger Werbeeinnahmen seit Corona und immer mehr Ausgaben für die Digitalisierung (DAB+, Internetstreams etc.). Dies macht insbesondere lokalen und regionalen Sendern – nicht nur in Niedersachsen – das Leben schwer.
Den Machern von Radio 90vier blieb am Ende nur noch, den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen – schweren Herzens, wie Jürgen R. Grobbin im Namen seiner Partner betont: ‚Ich bedanke mich bei allen Teammitgliedern für den tollen Zusammenhalt, natürlich danken wir unseren treuen Werbepartnern, die Radio 90vier begleitet haben, und verabschieden uns mit einem großen letzten Dankeschön von allen Hörerinnen und Hörern, für die wir gut vier Jahre lang unser tägliches Radioprogramm aus der Region zusammengestellt haben‘.“
Zweite UKW-Frequenz nie realisiert
Radio 90vier sendete zuletzt vom Standort des Norddeutschen Rundfunks in Steinkimmen auf 90,4 MHz mit einer Strahlungsleistung von 250 Watt. Geplant war noch, zusätzlich die Frequenz 91,6 MHz mit 1 kW am Standort Delmenhorst (Hasport) zu nutzen, um Versorgungslücken zu schließen und das Sendegebiet zu erweitern.
Bereits seit Anfang 2023 verzichtet Radio 90vier auf die Parallelabstrahlung seines Programms über DAB+ – vorübergehend, wie es seinerzeit noch hieß. Abzuwarten bleibt nun, was mit den UKW-Frequenzen des Lokalradios passiert. Denkbar wäre eine Neuausschreibung, falls sich dafür Interessenten finden.