Vergangene Woche war ich auf der IAA Mobility in München unterwegs. Im Schwerpunkt meines beruflichen und privaten Interesses stand dabei das Car-Entertainment. Autoradios sind seit vielen Jahren ein echtes Ärgernis. Zuerst haben die Hersteller nach und nach die DIN-Schächte abgeschafft, sodass es kaum noch möglich ist, die werksseitig verbauten Empfangsgeräte durch eigene Radios zu ersetzen. Jetzt werden die im Fahrzeug integrierten Empfänger sukzessive in ihrem Funktionsumfang eingeschränkt.
Schon auf der IAA 2019 zeichnete sich der Trend ab: Die Radios in neueren Autos bieten dem Nutzer eine gemeinsame Programmliste für DAB+ und UKW. Diese Liste wird im Hintergrund ständig aktualisiert. Für den Normalverbraucher ist das toll. Er braucht sich keine Frequenzen mehr zu merken und auch der Sendersuchlauf ist Schnee von gestern.
Anspruchsvolle Hörer haben das Nachsehen
Für anspruchsvollere Hörer ist eine solche Programmliste nicht zu gebrauchen. Wenn ich im Spessart versuchen möchte, RTL – Deutschlands Hitradio auf UKW 97,0 MHz zu empfangen, muss ich diese Frequenz manuell einstellen können. Kein Autoradio dieser Welt wird mir „freiwillig“ ein solches DX-Signal anbieten.
Wenn ich den lokalen DAB+-Multiplex des Mitteldeutschen Rundfunks aus Thüringen im Rhein-Main-Gebiet empfangen möchte, muss ich den Kanal 8B manuell auswählen können. Da das Signal im fahrenden Auto nicht stabil ist, wird mir die automatisch erstellte Senderliste auch dieses Programmpaket niemals anbieten.
Ein Experten-Modus muss her
Nun habe ich überhaupt nichts dagegen, dass Normalhörer sich nicht um den Empfang kümmern müssen, sondern aus einem Programmverzeichnis auswählen können. Für viele Nutzer ist das selbstverständlich eine enorme Verbesserung – insbesondere bei der heutigen Programmvielfalt, die wir dem DAB+-Standard zu verdanken haben.
Ich habe auch nichts dagegen, dass mein Skoda-Autoradio bei DAB+-Signalen ab einem viel zu hohen Mindestpegel für den Normalhörer stummschaltet. Was fehlt, ist ein Experten-Modus, der auf Wunsch sowohl bei UKW als auch bei DAB+ die manuelle Frequenzwahl ermöglicht und bei dem ich diese Muting-Funktion abschalten kann. Das gibt es bei einigen Fahrzeugen noch für UKW, für DAB+ aber fast gar nicht mehr.
Was erlauben sich diese Hersteller?
Ich fühle mich als Verbraucher von den Automobil-Herstellern und deren Zulieferern entmündigt. Ich „darf“ nicht mehr versuchen, auf der Fränkischen Alb Hitradio Ö3 auf 99,0 MHz oder in Gießen den DAB+-Multiplex des Westdeutschen Rundfunks zu empfangen.
Die Funktion der manuellen Frequenz- oder Kanalwahl, die schon immer zu den Kernfunktionen eines jeden Rundfunkempfängers gehörte, wird einfach wegrationalisiert. Das empfinde ich als arrogant und ignorant – vor allem dann, wenn ich als Verbraucher nicht einmal die Möglichkeit der freien Radiowahl habe.
Ford vorbildlich
Der einzige auf der IAA Mobility vertretene Hersteller, der noch Radios mit manueller Frequenzwahl und sogar Mittelwellenempfang verbaut, war Ford. Auch dieser Hersteller ist aber nicht unfehlbar. Denn warum man die DAB+-Kurzkennung anstelle des vollständigen Programmnamens anzeigt, wo ein Display zur Verfügung steht, das größer als ein iPad ist, wissen wohl nur die Entwickler selbst.
Ebenfalls nicht schön ist, dass Ford Apple CarPlay und Android Auto nur kabelgebunden ermöglicht. Das ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Würde ich heute ein neues Auto kaufen, dann wäre das dennoch ein Ford. Ein vollwertiges Autoradio anstelle eines um seine Kernfunktionen gebrachten Modells ist aus meiner Sicht Gold wert.
Drüben bei teltarif.de bin ich auf die Problematik der „kastrierten“ Autoradios ebenfalls eingegangen.