Nach meinem Besuch des Bayern 1 Sommerfestivals in Bad Bocklet habe ich hier im Blog darüber berichtet, dass der Bayerische Rundfunk vom Sender Kreuzberg/Rhön kaum in Hessen zu empfangen ist. Später habe ich diese Erfahrung zum Anlass genommen, um auf das Thema des oft fehlenden Overspills bei DAB+ auch auf teltarif.de aufmerksam zu machen.
Die Reaktionen waren erwartungsgemäß sehr gemischt. Einige eingefleischte DAB+-Fans kritisierten, dass ich es wage, dieses Thema überhaupt anzusprechen. Overspill sei generell nur Zufall, nicht beabsichtigt und überhaupt bekämen die Hörer im Gegenzug ja zahlreiche neue Programme.
Andere Leser gaben mir wiederum recht und merkten an, selbst in einigen Gebieten, die noch in Bayern liegen, sei der Sender Kreuzberg/Rhön aufgrund der Richtstrahlung digital nicht zu empfangen, wenn es um die für Bayern bestimmten Programme geht. Ich habe auch die Pressestelle des Bayerischen Rundfunks mit meinen gemachten Erfahrungen konfrontiert.
So sieht der Bayerische Rundfunk das „Kreuzberg-Gate“
Es hat ein paar Tage gedauert, aber jetzt ist die Antwort aus München da, die ich hier im Wortlaut wiedergebe:
„Um die Frage zu beantworten, warum DAB nicht so weit nach Hessen strahlt wie UKW muss man zunächst die Frage stellen, warum strahlt UKW (teilweise!) überhaupt so weit nach Hessen?
Der Senderstandort Kreuzberg ist einer der ältesten des BR: Seit Anfang der 1950er Jahre wird dort UKW ausgestrahlt. Nachdem der Sender nur wenige Kilometer von der damaligen Grenze zur DDR entfernt war, war es politisch gewollt, dass der Sender so weit wie möglich auch in das Gebiet der damaligen DDR hineinstrahlt und empfangen werden konnte. Deshalb sendeten die damaligen BR-Sender am Kreuzberg über eine Rundstrahlantenne auch (!) in die DDR.
Dies betrifft vor allem die drei BR-Frequenzen unterhalb von 100 MHz (93,1 heute Bayern 2 / 96,3 MHz Bayern 3 / 98,3 MHz Bayern 1). Diese wurden in den internationalen Frequenzplänen „Stockholm ´52“ und „Stockholm ´61“ mit 100 kW effektiv abgestrahlter Leistung (ERP) als eine der leistungsstärksten Sender koordiniert und eingetragen.
Im nachfolgenden Frequenzplan „Genf `84“ wurde dies so beibehalten. Für die zwei dort geplanten zusätzlichen Frequenzen oberhalb von 100 MHz (105,3 MHz B5 aktuell / 107,9 MHz BR-Klassik) konnte diese Abstrahlung jedoch nicht mehr durchgesetzt werden. Sie werden daher über eine separate Antenne mit weniger Leistung nach Norden abgestrahlt. Die Überstrahlung auch nach Hessen ist deshalb auf diesen Frequenzen wesentlich geringer als bei den Frequenzen unterhalb von 100 MHz.
Warum strahlt nun DAB vom Kreuzberg nicht so weit nach Hessen hinein?
Aus Gründen einer effizienten Frequenznutzung werden Frequenzen in bestimmten Entfernungen wiederverwendet. Zum Beispiel wird der vom BR genutzte DAB-Frequenzblock 11D in Nordrhein-Westfalen wiederverwendet. Um die gegenseitigen Störungen innerhalb der jeweiligen Versorgungsgebiete (Bayern bzw. NRW) möglichst gering zu halten, kann am Sender Kreuzberg DAB nicht über eine Rundstrahlantenne gesendet werden. Die Abstrahlung erfolgt stattdessen vor allem in Richtung Süden und Osten – also in Richtung Bayern.
Nun kommen weitere Effekte hinzu:
- DAB sendet auf etwa der doppelten Frequenz wie UKW. Die Dämpfung an einem Hindernis ist etwa doppelt bis 4 Mal so groß wie bei UKW.
- Die Sendeleistung des Senders Kreuzberg beträgt bei UKW in Richtung Hessen (zumindest bei den Frequenzen unterhalb von 100 MHz) aus den genannten Gründen 100 kW ERP.
- Die Sendeleistung bei DAB in Richtung Hessen beträgt nur etwa 0,5 kW ERP
Würde man nun DAB hypothetisch ebenfalls über eine Rundantenne abstrahlen, so ergäben sich 10 kW ERP in Richtung Hessen.
Leider würde auch diese Maßnahme wegen der doppelten Frequenz immer noch nicht dazu führen, dass ein durchgehender Empfang auf der A7 bis Fulda möglich wäre.
Die Autobahn 7 von Würzburg in Richtung Fulda „verschwindet“ nämlich kurz nach der Landesgrenze vom Sender Kreuzberg aus gesehen hinter einem Berg. Es ist leider nicht möglich, hier einen durchgehenden Empfang des BR über DAB zu gewährleisten, zumal sich das Gebiet bereits in Hessen befindet, wofür der BR keinen Versorgungsauftrag besitzt.
Speziell auf der Autobahn 7 kommen somit mehrere – aus Sicht von DAB – unglückliche Umstände zusammen. In anderen Gebieten, in denen die Bedingungen günstiger sind, ist es jedoch durchaus so, dass DAB wie auch UKW recht weit über die Landesgrenzen hinweg empfangen werden können. Zum Beispiel im Rhein-Main-Gebiet und westliches Unterfranken oder entlang der bayerisch-baden-württembergischen Landesgrenze vom Main bis zum Bodensee, wo hunderttausende Hörer von der gegenseitigen Überstrahlung profitieren. Hier sind über DAB sogar wesentlich mehr Programme grenzüberschreitend empfangbar als mittels UKW.
Das Beispiel der A7 in Richtung Fulda ist ein Sonderfall und eignet sich deswegen nicht als generelles Argument, mittel- bis langfristig auf einen Umstieg auf DAB zu verzichten.
Zudem ist es durchaus denkbar, dass im Zuge eines weiteren DAB-Ausbaus sich die Überstrahlung an der A7 in Richtung Fulda noch verbessern wird. Allerdings ist es verständlicherweise das vorrangige Ziel des Bayerischen Rundfunks, den Empfang zunächst innerhalb Bayerns sehr gut auszubauen.“
BR-Argumentation schlüssig – aber nicht zufriedenstellend
Das was die Kollegen des Bayerischen Rundfunks schreiben ist alles richtig. Das Problem mit der Gleichkanalnutzung in Nordrhein-Westfalen hatte ich ja bereits in meinem Posting erwähnt. Und ja, es ist mir auch klar, dass man eine derart große Überstrahlung des eigenen Sendegebiets heutzutage nicht mehr ermöglichen kann.
Wir reden hier aber vom unmittelbaren Grenzgebiet und da finde ich es nach wie vor inakzeptabel, dass Hörer bei einer UKW-Abschaltung auf Programme verzichten müssten, die für sie seit jeher zum Alltag gehören. Versorgungsauftrag hin oder her, im Fernsehbereich wurde bei DVB-T bzw. mittlerweile DVB-T2 HD auch eine Lösung gefunden. Eine solche erwarte ich auch für den Tonrundfunk.