DAB+ ist eigentlich eine feine Sache. Das terrestrische Digitalradio erhöht die Programmvielfalt und bei Programmen, die auf höhere Datenraten und eine angemessene Soundaufbereitung setzen, ist auch der Klang besser als auf UKW. Allerdings kann DAB+ auch dazu beitragen, dass Radioprogramme in Regionen, in denen sie auf UKW gut zu empfangen sind, digital nicht mehr gehört werden können.
Es wird niemals möglich sein, die UKW-Sendegebiete 1:1 auf DAB+ abzubilden. Das hängt schon allein damit zusammen, dass digital in einem anderen Frequenzbereich und eben auch in einer anderen Betriebsart gesendet wird als analog. Dazu kommt, dass die verfügbaren Frequenzen teilweise in einem geringeren Abstand neu vergeben werden (müssen) als im UKW-Bereich.
Der landesweite bayerische DAB+-Multiplex wird im Kanal 11D verbreitet. Den gleichen Kanal verwendet aber auch das landesweite Sendernetz in Nordrhein-Westfalen. Würde man beide Multiplexe über Sendeanlagen in Grenznähe zu Hessen mit Rundstrahlung abstrahlen, so käme es in Mittelhessen zu gegenseitigen Überlagerungen.
Der Sender Kreuzberg/Rhön hat daher für DAB+ verschiedene Strahlungsdiagramme. Der Hessische Rundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk senden vorwiegend nach Westen, Norden und Osten, der Bayerische Rundfunk sendet ausschließlich Richtung Süden. Wie extrem sich diese Richtstrahlung auswirkt, habe ich am vergangenen Samstag festgestellt, als ich das Bayern 1 Sommerfestival in Bad Bocklet besucht hatte.
BR vom Kreuzberg in Hessen praktisch nicht zu empfangen
Auf dem Rückweg schaltete ich im Autoradio das Programm von Bayern 1 über DAB+ im Kanal 10A (Regional-Multiplex für Unterfranken) ein, der mit dem gleichen Strahlungsdiagramm wie das landesweite Ensemble im Kanal 11D verbreitet wird. Sprich: Es wird gezielt nur nach Bayern gesendet.
Von Bad Bocklet bis zur Autobahn-Auffahrt bei Bad Brückenau war Bayern 1 über DAB+ in einwandfreier Qualität zu empfangen. Wenige hundert Meter nach der bayerisch-hessischen Landesgrenze wurde die Feldstärke schlagartig schlechter. Das Autoradio wechselte auf die ebenfalls vom Kreuzberg/Rhön abgestrahlte UKW-Frequenz 98,3 MHz, auf der Bayern 1 in ganz Osthessen gut zu empfangen ist.
Erst als ich im weiteren Verlauf der Heimreise auf der A66 auf der Höhe von Schlüchtern war, wechselte das Autoradio zurück auf DAB+. Das Signal dürfte nun aber vom Sender Alzenau (Hahnenkamm) gekommen sein, der neben der Stadt Alzenau und dem Kahlgrund vor allem weite Teile des Rhein-Main-Gebiets versorgt.
Diese Einschränkung kann nicht bleiben
So sehr ich die Problematik mit der Gleichkanalbelegung in Bayern und Nordrhein-Westfalen auch verstehe: Es kann und darf nicht sein, dass die Einführung von DAB+, die irgendwann in einer Abschaltung des analogen UKW-Rundfunks münden soll, jahrzehntelang gewachsene Hörerstrukturen zerstört.
Wenn jemand aus Bad Kissingen in Fulda arbeitet, würde er auf dem Weg zur Arbeit seinen Heimatsender nicht mehr durchgehend terrestrisch empfangen können. Er müsste auf Streaming ausweichen.
Auf der A66, die in Osthessen wenige Kilometer nördlich der bayerisch-hessischen Landesgrenze verläuft, war es schon immer Standard, neben den landesweiten hessischen Programmen auch die Programme des Bayerischen Rundfunks und von Antenne Bayern empfangen zu können. Wenn das nach einer UKW-Abschaltung nicht mehr möglich wäre, dann würde ich das als Rückschritt und nicht als Fortschritt bezeichnen.
Zusätzlicher BR-Sender in Fulda denkbar?
Wenn es aufgrund der exponierten Lage des Senders Kreuzberg/Rhön tatsächlich nicht möglich sein sollte, die bayerischen DAB+-Multiplexe zumindest mit kleiner Leistung auch Richtung Norden auszustrahlen, da man gegenseitige Interferenzen mit möglichen künftigen Sendern aus Nordrhein-Westfalen befürchtet, sollte der Bayerische Rundfunk über einen zusätzlichen Sender in Fulda nachdenken, der dann ebenfalls gerichtet nach Süden abstrahlt.
Von Fulda aus könnte der BR den hessisch-bayerischen Grenzraum versorgen und auch Versorgungslücken in Bayern selbst, die der Sender Kreuzberg aufgrund seiner Richtcharakteristik aufweist, schließen. Umgekehrt senden der Hessische Rundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk ja ebenfalls vom bayerischen Standort Kreuzberg, um Versorgungslücken in Osthessen bzw. im Südwesten von Thüringen zu schließen.
Ohne Verbesserung wäre die UKW-Abschaltung ein Rückschritt
Wenn die Einführung von DAB+ zu einer derart eklatanten Einschränkung der technischen Reichweite führen sollte, wäre ich persönlich strikt gegen eine UKW-Abschaltung. Die Rundfunkanstalten würden dem Hörer nämlich einen Bärendienst erweisen, wenn Programme, deren Empfang jahrzehntelang eine Selbstverständlichkeit war, von heute auf morgen nicht mehr terrestrisch hörbar wären.