Niedersächische Politiker wollen DAB+ abschaffen (Foto: dabplus.de)
Niedersächische Politiker wollen DAB+ abschaffen (Foto: dabplus.de)

DAB+-Aus: Niedersächischer Landtag dreht völlig frei

Der niedersächsische Landtag hat einstimmig für einen Antrag der FDP-Fraktion gestimmt, der das Aus für das terrestrische Digitalradio DAB+ zum Ziel hat. Radio werde nach wie vor vorwiegend über UKW gehört. Die Bemühungen zur Einführung von DAB+ hätten nicht gefruchtet. Die Zukunft des Radios sei zwar digital, liege aber im Internet, das dank Smartphones, Smart Speaker etc. ohnehin überall vorhanden sei.

Fakt ist: DAB+ ist seit 2011 auf dem Markt. Anfangs waren die Empfangsgeräte noch kaum verfügbar und recht teuer. Mittlerweile verfügen die meisten neu verkauften Radios auch über ein Empfangsteil für DAB+. Wer nun aber damit gerechnet hat, dass innerhalb weniger Jahre die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Radio über DAB+ hört, der ist – mit Verlaub – ein Traumtänzer.

Radio hat nicht mehr den Stellenwert wie in früheren Jahrzehnten

Das Medium Radio hat insgesamt nicht mehr den Stellenwert wie noch in den 80er und 90er Jahren. Kaum ein Endverbraucher wird sich extra für DAB+ einen neuen Empfänger zulegen. Das gilt oft sogar für den Fall, dass über das terrestrische Digitalradio ein Programm zu empfangen ist, das den potenziellen Hörer ansprechen würde und das auf anderen Wegen nicht zu hören ist.

Wenn ohnehin eine Neuanschaffung ansteht, dann natürlich mit DAB+, weil es ohnehin kaum noch rein analoge Empfänger gibt. Aber wie oft kauft jemand heutzutage noch ein Radio? Vielleicht, wenn für das Kinderzimmer ein neues Gerät benötigt wird oder weil ein defekter Receiver ausgetauscht werden muss.

Unter diesen Umständen kann es Jahrzehnte dauern, bis der Radiokonsum überwiegend über DAB+ stattfindet. Natürlich ist das für private Programmveranstalter mit Kosten verbunden, denn eine Parallelabstrahlung über UKW und DAB+ kostet nunmal zusätzlich Geld. Dabei stellt sich die Frage, ob das überhaupt sein muss.

Die UKW-Skala ist randvoll

Ganz ehrlich: Ich bin gegen einen UKW-Abschalttermin, wie er von vielen DAB+-Befürwortern gefordert wird. Wer über UKW senden möchte, der soll doch dort glücklich werden. Fakt ist aber eben auch, dass die UKW-Skala nicht nur voll, sondern sogar überbelegt ist. Da ist kaum noch Platz für zusätzliche Angebote. Es gibt aber immer wieder neue Programmanbieter, die auf den Markt kommen wollen.

Dass Lokalsender in Düsseldorf und Leipzig mittlerweile drei UKW-Frequenzen brauchen, um eine einzige Stadt flächendeckend zu versorgen, zeigt doch klar auf, wo das Problem liegt: Es ist nicht mehr möglich, eine einzige Frequenz mit entsprechend hoher Strahlungsleistung zu koordinieren, um die jeweilige Stadt von einem einzigen Standort und auf nur einer Frequenz zu versorgen.

Für bundesweite Programme ist kaum Platz auf UKW

Die drei (inklusive Dokumente-&-Debatten-Kanal sogar vier) Deutschlandradio-Kanäle sind das beste Beispiel für überregionale Programme, für die auf UKW vielerorts kein Platz mehr ist. Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur verfügen auf UKW nur über einen Flickenteppich, Deutschlandfunk Nova gibt es auf FM gar nicht. Die Lang- und Mittelwellen wurden abgeschaltet. Ohne DAB+ wäre der nationale öffentlich-rechtliche Rundfunk in weiten Teilen Deutschlands nicht mehr terrestrisch zu empfangen.

Oder nehmen wir private Programmveranstalter wie Absolut relax, Klassik Radio oder Radio BOB!. Nur dank DAB+ sind diese Programme fast überall in Deutschland mit einem ganz normalen Radio, das keine Internet-Verbindung benötigt, zu empfangen. Nun mag es natürlich auch Programmanbieter mit guter Ausstattung an UKW-Frequenzen geben, denen es ganz recht wäre, durch eine DAB+-Abschaltung unliebsame Konkurrenten wieder loszuwerden. Es wäre aber ein Skandal, wenn die Politik solche Interessen unterstützt, anstatt im Interesse der Verbraucher für mehr Wettbewerb zu sorgen.

Das Internet kann terrestrisches Radio nur ergänzen

Machen wir uns nichts vor: Internetradio ist toll. Hier gibt es eine Programmvielfalt, die es über UKW und DAB+ niemals geben wird. Ich selbst höre zuhause Radio fast nur via Internet, weil ich meistens Programme einschalte, die ich terrestrisch gar nicht empfangen kann. Aber kann Webradio wirklich die alleinige digitale Zukunft des Radios sein?

Wenn plötzlich jeder sein Lieblingsradio streamt, belastet das massiv die Netzinfrastruktur. Überlastungserscheinungen (Aussetzer beim Streaming, langsamer Seitenaufbau beim Surfen) wären die Folge. Internetradio funktioniert nur als Nischenmedium, nicht aber im Massenmarkt.

Nun könnte man einen Broadcast-Modus aufsetzen, ähnlich wie bei MagentaTV von der Deutschen Telekom, um nur ein Beispiel zu nennen. Das funktioniert dann innerhalb eines geschlossenen Systems (etwa für alle Telekom-Kunden) im Multicast-Verfahren. Die Technik dafür gibt es schon lange. Sie wäre auch in den Mobilfunknetzen seit Jahren nutzbar. Das macht aber niemand, weil die Mobilfunk-Netzbetreiber darin offenbar kein Geschäftsmodell sehen. Zudem ist das dann genau genommen auch kein Internetradio mehr, sondern vielleicht eine Art „Intranet-Radio“.

Privatradios sorgen mit Vorschaltwerbung für Unanhörbarkeit ihrer Streams

Nicht zuletzt sorgen gerade diejenigen Programmanbieter, die am lautesten gegen DAB+ wettern, UKW bevorzugen und die Zukunft des Radios im Internet sehen, dafür, dass man deren Livestreams kaum anhören kann, da sie mit einer sogenannten Vorschaltwerbung versehen sind. Das heißt, wenn man den jeweiligen Stream anwählt, wird zuerst ein Werbespot abgespielt, danach ertönt das gewünschte Programm.

Nun könnte man argumentieren, dass es sich schließlich um kommerzielle Programme handelt, die sich so zusätzliche Einnahmen sichern. Allerdings denkt niemand an die Hörer, die beim Zappen durch die Programme immer und immer wieder mit Werbung belästigt werden – oft sogar mit dem gleichen Spot.

Noch schlimmer wirkt sich die Vorschaltwerbung bei der mobilen Nutzung aus: Reißt die LTE-Verbindung im Auto kurz ab, so hört man immer wieder den Werbespot, sobald Internet und somit auch Streaming wieder funktionieren. Sorry liebe Privatfunker, aber habt Ihr jemals versucht, Eure eigenen Programme unter diesen Umständen mobil zu hören? Das ist nur mit starken Nerven und auch dann nur im Vollrausch zu ertragen.

Politik interessiert sich offenbar nicht für die Interessen ihrer Wähler

Wer fordert, DAB+ abzuschalten und digitales Radio ausschließlich im Internet zu veranstalten, der handelt im Interesse der Privatfunk-Lobby, aber gegen das Interesse der Verbraucher. Aber dass die Politiker sich nur alle vier bis fünf Jahre – jeweils vor der Wahl – für ihre Wähler interessieren, ist ja nichts Neues. Man kann nur hoffen, dass dieses „Zeichen“, das der niedersächsische Landtag hier gesetzt hat, keinen größeren Schaden für den Medienstandort Deutschland anrichtet.