Architektonisch einzigartiges Betriebsgebäude des alten Europe-1-Senders (Foto: SmartPhoneFan.de)
Architektonisch einzigartiges Betriebsgebäude des alten Europe-1-Senders (Foto: SmartPhoneFan.de)

Europe 1: Eine der beeindruckendsten Sendeanlagen der Welt

Europe 1 kenne ich seit meiner frühesten Jugend. Der Sender fiel mir bereits Anfang der 80er Jahre auf, als ich eigentlich nach einer Möglichkeit suchte, Stimme der „DDR“ in guter Qualität zu empfangen. Der 750-kW-Langwellensender Oranienburg (Zehlendorf) erschien mir geeignet und so steuerte ich dessen Frequenz 182 kHz auf meinem seinerzeit genutzten Radiorecoder von Intercord an.

Stimme der „DDR“ war tatsächlich zu empfangen – allerdings befand sich auf der gleichen Frequenz ein nahezu ähnlich starker, französischsprachiger Sender. Das war Europe 1. Ich sah, dass dieser Sender im saarländischen Felsberg-Berus stand und recherchierte, was es wohl damit auf sich hat. Ein französischsprachiges Programm von deutschem Boden? Das hatte mein Interesse geweckt.

Auf mein Schreiben an die Pariser Studioadresse erhielt ich eine QSL-Karte und Informationsmaterial. Ich erfuhr, dass der Sender durch das besondere Statut des Saarlandes bis zur Wiederangliederung an die Bundesrepublik Deutschland zustandekam und anders als das deutschsprachige Fernsehprogramm Telesaar seinerzeit nicht eingestellt werden musste.

Aktuelle Antennenkonstellation am Sender Felsberg (Foto: SmartPhoneFan.de)
Aktuelle Antennenkonstellation am Sender Felsberg (Foto: SmartPhoneFan.de)

Europe 1 sendet auf einer „krummen“ Frequenz

Später änderten Stimme der „DDR“ und Europe 1 ihre Sendefrequenzen auf 179 bzw. 185 kHz. Sie scherten damit aus dem ansonsten üblichen 9-kHz-Raster auf Lang- und Mittelwelle aus und waren darauf auf den seinerzeit aufkommenden ersten Radio mit digitaler Frequenzeingabe und -anzeige, die sich nur in diesem Raster abstimmen ließen, nicht mehr oder nur noch schlecht zu empfangen.

Für Besitzer frei durchstimmbarer Empfänger verbesserte sich die Empfangssituation drastisch. Es gab keine gegenseitigen Interferenzen mehr. Stimme der „DDR“ war fortan klar zu hören, Europe 1 allerdings nicht, was mit der starken Richtstrahlung des 2000 kW starken Senders zusammenhing. Gesendet wurde gezielt Richtung Frankreich, während das Signal in die Gegenrichtung – also nach Nordosten – stark ausgeblendet wurde.

Als die Sendefrequenzen auf Langwelle in den 80er Jahren sukzessive um 2 kHz nach unten geändert wurden (beispielsweise Deutschlandfunk Sender Donebach von 155 auf 153 kHz), machten auch die abseits des regulären Rasters sendenden Stationen in Oranienburg und Felsberg mit. Stimme der „DDR“ wechselte auf 177 kHz, Europe 1 auf die noch heute genutzte Frequenz 183 kHz.

Unverständlich ist, dass in Felsberg nicht spätestens mit dem Aufbau einer neuen Sendeanlage wieder ins reguläre Frequenzraster gewechselt wurde. Den Sender Oranienburg, der seit Sendeschluss des Deutschlandsenders Kultur, der Anfang der 90er Jahre die Nachfolge von Stimme der „DDR“ antrat, von Deutschlandradio genutzt wurde, gibt es nicht mehr. Die Masten in Zehlendorf wurden längst gesprengt, sodass eine Wiederaufnahme der Sendungen nahezu ausgeschlossen sind. Demnach könnte Europe 1 eigentlich auf die eigentlich zugeteilte Frequenz 180 kHz wechseln, was aber offenbar nicht beabsichtigt ist.

Blick ins "Innenleben" der alten 2000-kW-Sendeanlage (Foto: SmartPhoneFan.de)
Blick ins „Innenleben“ der alten 2000-kW-Sendeanlage (Foto: SmartPhoneFan.de)

Erstkontakt vor vielen Jahren

Meinen Erstkontakt mit dem Sender Felsberg hatte ich vor vielen Jahren. Ob ich im Rahmen eines DX-Camps des Shortwave Listeners Club Saar (SWLCS) oder zu der Zeit, als ich eine Freundin im Saarland hatte, erstmals unter den Masten in Berus stand, weiß ich nicht mehr. Ich werde aber nie die imposanten, in rund 377 Metern Höhe stehenden Masten vergessen, die regelrecht majestätisch aussehen, wenn man sich von der Autobahn 620 kommend noch im Tal befindet und Richtung Berus fährt.

Von den einst vier, bis zu 280 Meter hohen Masten, die für die enorme Richtwirkung dieses Senders gesorgt haben, sind nur noch zwei Masten übrig. In den Morgenstunden des 8. August 2012 brach ein 80 Meter langes Teil des höchsten Masten ein, nachdem eines der Abspannseile gerissen war. Der Mast und auch die gesamte bisherige Sendeanlage war fortan nicht mehr nutzbar. Der Betrieb lief über die beiden etwa einen Kilometer entfernt stehenden Reserve-Antennenmasten weiter.

Ein weiterer Mast der früheren Haupt-Antennenanlage wurde 2013 im Zuge eines Umbaus gesprengt und hinter vorgehaltener Hand hört man, dass auch die beiden noch stehenden Masten perspektivisch nicht erhalten bleiben sollen. Vermutlich ist die Wartung auf Dauer zu teuer. Anders sieht es mit dem architektonisch einzigartigen Betriebsgebäude (Spannbetonkonstruktion ohne Stützpfeiler) in Form einer Jakobsmuschel aus. Dieses Gebäude, das wir gestern im Rahmen der FM-Kompakt-Radiotage im Saarland besucht haben, steht mittlerweile genauso wie die beiden darin platzierten 1000-KW-Langwellensender von Thomson, die zu einer 2 Megawatt starken Sendereinheit zusammengeschaltet waren, unter Denkmalschutz.

Von BCE errichtetes aktuelles Betriebsgebäude des Langwellensenders von Europe 1 (Foto: SmartPhoneFan.de)
Von BCE errichtetes aktuelles Betriebsgebäude des Langwellensenders von Europe 1 (Foto: SmartPhoneFan.de)

Die Langwelle 183 kHz heute

Europe 1 sendet nach wie vor auf 183 kHz – jetzt aber über die früheren Reserveantennen und über zwei neue 750-kW-Sender, die es zusammengeschaltet immerhin noch auf 1,5 Megawatt Sendeleistung bringen. Da die Richtcharakteristik dieser Antennenanlage nicht so ausgeprägt ist wie die des alten, bereits 1954/55 errichteten Systems, hat sich der Empfang nördlich und östlich des Senders erheblich verbessert. In Frankreich, dem eigentlichen Zielgebiet, dürfte der Empfang wiederum etwas schlechter geworden sein.

Betrieben wird der Sender von der luxemburgischen Firma Broadcasting Center Europe (BCE), die auch die Sendeanlagen für RTL betreibt. War das alte Betriebsgebäude früher rund um die Uhr mit jeweils zwei Mitarbeitern besetzt, so läuft die neue Anlage unbemannt und aus Luxemburg ferngesteuert. Wie lange der Sender Felsberg überhaupt noch betrieben wird, ist fraglich. Sieht man sich die auf der Webseite von Europe 1 veröffentlichte Frequenzübersicht an, so fällt auf, dass die Langwelle hier nicht einmal erwähnt wird. War der Sender Felsberg früher die einzige Möglichkeit, um überhaupt Privatradio für Frankreich machen zu können, so hat Europe 1 längst in vielen Regionen des Landes UKW-Frequenzen. Dazu ist das Programm über Satellit zu empfangen.

Wirklich wirtschaftlich ist der Betrieb des Langwellensenders, der noch heute zu den stärksten Rundfunksendern weltweit gehört, wohl nicht mehr. So dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er Kostensenkungen zum Opfer fällt.