Als ich im zarten Alter von acht Jahren begann, mich für das Medium Radio zu interessieren, war das speziell in Deutschland ziemlich langweilig. Die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten strahlten je drei Programme aus, die aber wenig attraktiv gestaltet waren.
Durch Radio Luxemburg lernte ich kennen, dass das auch anders geht. Doppelmoderation, lockere Atmosphäre, Sendungen, die den Hörer ansprachen: Das kannte ich vom Hessischen Rundfunk und vom Bayerischen Rundfunk nicht. Das hochgelobte SWF3 war zwar erfrischend anders. Dennoch wurde das nie „mein“ Sender.
Als ich zu Weihnachten 1982 zum ersten Mal Radio Brenner hörte, war ich schlicht begeistert. Wenige Monate später startete Radio Caroline vom Radioschiff Ross Revenge in seine letzte Ära als Seesender und zeigte ebenfalls, wie man Radio für und nicht gegen die Hörer macht.
Privatradio startete zunächst vielversprechend
So waren meine Erwartungen recht hoch, als Mitte der 80er Jahre die ersten Privatradios in Deutschland selbst starten konnten. Und in der Tat: Das was Radio 4, das damalige Konglomerat aus RPR, PRO Radio 4, Radio 85 und dem Linksrheinischen Rundfunk anbot, konnte sich – vielleicht abgesehen vom Linksrheinischen Rundfunk – wirklich hören lassen.
Auch die Lokalradios aus Würzburg und Aschaffenburg begeisterten mich, über jeden neuen Sendestart freute ich mich und als Antenne Bayern 1988 auf Sendung ging, gab es endlich auch ein Privatradio, dass bei mir selbst mit einfachsten Geräten und im Autoradio zu empfangen war.
Auch Radio FFH (damals noch ohne den vorangestellten „Hit“ im Namen) bot in den ersten Jahren seiner Existenz ein hervorragendes Programm. Dazu kamen Radio T.O.N., Radio Regenbogen, Radio Regional Heilbronn usw. Aus einem Radio-Entwicklungsland war das reinste Paradies geworden.
Man merkte den Radiomachern in der zweiten Hälfte der 80er und in den frühen 90er Jahren an, dass sie mit Begeisterung bei der Sache waren. Selbst Lokalradios waren zum Teil rund um die Uhr live moderiert (außer wenn in Aschaffenburg der diensthabende Moderator während der Sendung einschlief, was wirklich einmal passiert ist).
Die letzte wirklich gute Sender-Neugründung in den ersten Privatfunk-Jahren war 104.6 RTL, das man in den ersten Monaten nach dem Sendestart über Astra auch bundes- und europaweit hören konnte. Formatradio nach amerikanischem Vorbild – das war damals völlig neu. Kein Wunder, dass der Sender schnell Erfolg haben sollte.
In den 90er Jahren ging es bergab
Im Laufe der 90er Jahre ging es dann aber auch schon kontinuierlich bergab. Anstelle von Moderatoren und Musikredakteuren entschieden sogenannte Berater über Programminhalte. Irgendwann gab es nur noch Formatradio mit wenigen hundert Musiktiteln in der Rotation, immer wieder den gleichen Claims bei der Moderation und ähnlichen Gewinnspielen quer durch die Republik.
Die Programme wurden langweilig und austauschbar und irgendwann fingen dann auch die ersten Veranstalter an, abseits der Haupteinschaltzeiten nur noch den Computer arbeiten zu lassen. Heute ist es völlig normal, das Spartenprogramme wie harmony.fm oder Regenbogen 2 am Wochenende fast nur noch Nonstop-Musik ausstrahlen – abends nach 18, 19 oder spätestens 20 Uhr sowieso.
Selbst vor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk macht diese Entwicklung nicht halt. Bayern 1 entlässt seine Hörer mittlerweile spätestens um 23 Uhr ins Nonstop-Musik-Nachtprogramm und beispielsweise sonntags vormittags gibt es selbst im Tagesprogramm unmoderierte Strecken.
Nonstop-Musik ist kein Radio
Das, liebe Radiomacher, ist nicht das, was ich von Euch erwarte. Nonstop-Musik kann ich bei Spotify (kostenlos und werbefinanziert) oder Amazon Music (für Prime-Kunden werbefrei und ohne Aufpreis) hören. Dort kann ich mir sogar ganz genau die Musik heraussuchen, die ich gerade hören möchte.
Wenn ich mich aber gezielt dafür entscheide, das Radio einzuschalten, dann erwarte ich da auch ein Radioprogramm anstelle einer Festplatte, die ohne Moderator die laufende „Sendung“ gestaltet. Mit der Art und Weise, wie Ihr die „Programme“ gestaltet, wird das Medium Radio zwar billig produziert. Langfristig dürfte das aber die Entwicklung fördern, dass immer weniger vor allem junge Leute das Radio einschalten, sondern gleich bei Musik-Streamingdiensten landen.
Ich persönlich trauere den Pionierjahren hinterher, in denen wir richtig gutes Radio erleben durften. Heute picke ich mir – Webradio sei Dank – die Rosinen aus der Radiolandschaft heraus, etwa Radio 2Day aus München, extra radio aus Hof oder BH eins aus Potsdam.
Doch einige wenige Lokalradios, bei denen das Team noch mit Herzblut bei der Sache sind, können das Medium Radio nicht retten. Dazu muss auch bei den „großen Privaten“ wieder ein Umdenken einsetzen.
Macht endlich wieder richtiges Radio, bei dem der Hörer nicht nach zwei Tagen die Playlist auswendig kennt und bei dem sich der Moderator auch zu einer Persönlichkeit a la Werner Reinke, Frank Laufenberg oder Jochen Pützenbacher entwickeln darf und nicht nur immer wieder die gleichen dümmlichen Claims herunterbeten muss.